Und die Zukunft wird nicht besser, sagt sie. Sie sucht kein Mitleid, kein Verständnis. Sie wirkt auch nicht pessimistisch. Nur vielleicht etwas verbittert. Aber wie soll sie auch noch weiter hoffen, wenn ihr stets ein besseres Leben versprochen wurde und sich dann doch nichts geändert hat?
Ganz anders gestern Abend: Nach einer Lesung durften Karin und ich mit der Bibliothekarin und Thomas Lehr (googeln!) essen gehen und wurden danach sogar noch auf ein Glas Wein beim Direktor zu Hause eingeladen. Klein Ursina das erste Mal in einer Diplomatenwohnung... Die klügsten Gespräche über Russland, die ich je gehört habe. Wenn ein Autor wie Lehr seine ersten Eindrücke über Piter schildert, tönt das wie Musik. Und wenn man Dahlhaus zuhört, wie er von seinen Erlebnissen in den Goethe-Instituten in Kairo, Damaskus oder Istanbul erzählt und was für interessante Leute er kennt, könnte man meinen, das Glück auf Erden läge in einer Diplomatenlaufbahn begraben.
Als Karin und ich uns spät Abends auf den Heimweg machten, konnten wir gar nicht richtig glauben, was wir eben erlebt hatten. Es war, als hätten wir einen Blick in eine Welt erhascht, die nach ihren eigenen Regeln spielt, eine faszinierende, geheimnisvolle, aber auch unwirkliche Welt.
Und andererseits eben reale Leute wie Ludmilla, die Tag und Nacht arbeiten und sich doch nichts leisten können (und auch keine Zeit haben, darüber nachzudenken, weshalb die Petersburger Kulturszene so viel konservativer als diejenige in Moskau ist), oder Dmitris Freundin, die gerade mal 430 Fr. pro Monat verdient, aber bis 9 Uhr Abends arbeiten muss. Und ich muss ehrlich sagen, die Lebensmittelpreise sind gar nicht viel billiger hier als bei uns.
Zwei total verschiedene Welten, die innert 24 Stunden in meinem Leben zusammengecrasht sind. Und mich zum Nachdenken gebracht haben.
Auch ein bisschen nachdenklich stimmt mich übrigens meine neue Frisur! Eigentlich habe ich nur die Fransen geschnitten, aber was soll ich sagen... Shit happens! Vielleicht sollte man mit einem CH-Face keine russischen Schnitte ausprobieren. Die Friseurin trifft übrigens keine Schuld, ich war froh, dass sie nach meiner stümperhaften Beschreibung überhaupt verstanden hatet, dass ich zum Haareschneiden hergekommen bin.
Naja, bis ich wieder zurück bin, sind sie wahrscheinlich nachgewachsen;) Foto folgt... Liebe Grüsse!
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